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Demokratiekonferenz im Alten Rathaus

Akteure & Projektträger zum Austausch eingeladen
Text von Stadt Deggendorf|Foto von Stadt Deggendorf|Stand: 29.10.2020 17:19 Uhr|Lesedauer: 2 Minuten
Demokratie leben! Demokratiekonferenz 2020
Zur diesjährige Demokratiekonferenz trafen sich Projektträger und Mitglieder des Begleitausschusses im Alten Rathaussaal

Nachdem die Deggendorfer Demokratiekonferenz im März 2020 wegen der Corona-Pandemie kurzfristig abgesagt werden musste, konnten sich Projektträger und Mitglieder des Begleitausschusses  im Oktober im geschlossenen Kreis im Alten Rathaus treffen. Die Anwesenden tauschten sich darüber aus, wie Projektarbeit auch in Zeiten von Corona möglich ist. Zudem informierten sie sich über die verschwörungsideologischen Proteste, die seit einem halben Jahr in Deggendorf stattfinden.

Regelmäßig treffen sich im Zentrum von Deggendorf an Montagabenden Corona-Gegner zu Kundgebungen. Dafür werden immer wieder auch neue Formen gefunden, etwa Konzerte, Straßentheater oder Schweigemärsche. Dritte Bürgermeisterin Renate Wasmeier betonte, wie wichtig es sei, dies in der Demokratiekonferenz zu thematisieren und zu handeln. „Demokratie ist Toleranz und Wertschätzung. Wenn ich den anderen wertschätze, dann passe ich auf ihn auf. Dieser Widerstand ist absolut unverständlich!“ Dieser Meinung schloss sich auch der Vorsitzende des Begleitausschusses von „Demokratie leben!“ in Deggendorf Martin Hohenberger an. „In dieser Zeit braucht es wehrhafte Demokratie.“ Kulturelle Veranstaltungen und Bildungsangebote seien ein wichtiges Mittel, den Menschen gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen und das Feld nicht den wenigen zu überlassen, die in dieser Zeit aktiv sind. Er machte den Projektträgern Mut, Veranstaltungen anzubieten im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten, auch wenn die Einschränkungen die Durchführung erschweren. Der Kreisjugendring bietet Unterstützung bei der Erstellung von Hygienekonzepten an. Per Videoschalte war Jan Nowak von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Bayern zugeschaltet. Er hat über die vergangenen Monate Kundgebungen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen in Deggendorf beobachtet und fasste die gesammelten Informationen in einem Vortrag zum Thema „Widerstand gegen die Corona-Diktatur!“ für die Teilnehmer zusammen.

Zu Beginn im Frühjahr 2020 hätten an den Protesten noch viele Menschen teilgenommen, die sich wegen des Lockdowns Sorgen gemacht haben, um ihre finanzielle Zukunft und ihr Sozialleben. Zunehmend hätten sich die Proteste über die letzten Monate aber radikalisiert als aggressiver Widerstand. Die maßgeblichen Organisatoren und über ein Drittel der Teilnehmer in Deggendorf seien Neonazis und extreme Rechte. Sie gehören rechten Zusammenschlüssen wie „Aktionsbündnis Niederbayern“ oder „Regiment Deggendorf“ an und stellen ihre Weltanschauung auch öffentlich zur Schau durch NS-Symbole an ihrer Kleidung oder durch Tätowierungen. Diese Symbole und Abbildungen beziehen sich unter anderem auf Adolf Hitler oder die SS. „Die Kundgebungen in Deggendorf wurden von Anfang an von Neonazis organisiert, und die Organisatoren versuchen das auch gar nicht zu verstecken, sondern geben ganz klare Zeichen.“ Die restlichen Teilnehmer bestehen überwiegend aus AfD-Mitgliedern und Anhängern von Verschwörungstheorien.

Die Proteste werden begründet mit Verschwörungstheorien. Diese besagen, dass Corona entweder erfunden oder künstlich in die Welt gesetzt worden sei und dass eine Macht aus dem Hintergrund die Strippen ziehe. Da heißt es zum Beispiel, eine Person „Q“ trage Insiderwissen aus dem Weißen Haus nach außen, ein „Deep State“ habe die Absicht, die Weltherrschaft zu übernehmen, Bill Gates wolle die Menschheit mit Mirkochips zwangsimpfen, Angela Merkel stecke mit dem jüdischen Investor George Soros unter einer Decke oder Deutschland sei kein legitimierter Staat, sondern ein Unrechtsregime.

Insgesamt bewertete Jan Nowak die derzeitigen Entwicklungen als gefährlich. Durch die sozialen Netzwerke erfahren Verschwörungstheorien in der Gesellschaft noch größere Verbreitung. Gewalttaten und Bedrohungen nehmen zu, zum Beispiel gegen die Politik und die Verwaltung, aber auch im Einzelhandel oder im öffentlichen Nahverkehr, wenn sich Corona-Gegner gegen die Maskenpflicht mit Gewalt wehren. Der historische Nationalsozialismus werde durch die Widerstandsgruppen relativiert, der Antisemitismus nehme zu. Es sei wichtig, die Entwicklungen im Auge zu behalten, sich inhaltlich damit auseinanderzusetzen und sich auch klar öffentlich gegen die rechten Proteste zu positionieren, zum Beispiel durch Veranstaltungen, fasste Jan Nowak im Austausch mit den Anwesenden zusammen. Gegendemonstrationen sind nur sinnvoll, wenn die Corona-Zahlen es zuließen, aber auch mit einer begrenzten Anzahl an Teilnehmern könne solch eine Gegendemo verantwortungsvoll gestaltet werden. Zudem könne man durch Informationsveranstaltungen oder Berichte aufklären und Gegenpositionen stärken. Die Politik müsse wieder vermehrt versuchen, in Kommunikation mit den Menschen zu treten.

Ohne gesellschaftliche Teilhabe fühlen sich die Menschen ohnmächtig gegen eine Übermacht, die Gefahr eine Radikalisierung steigt. „Es ist wichtig, dass die Politik den Dialog mit den Menschen führt, dafür sind neue Formen des Dialogs notwendig.“ Langfristig sei es Aufgabe der Politik, soziale Probleme und Ängste zu verringern und Rechtsextremismus und Verschwörungstheorien dadurch den Nährboden zu entziehen.

„Wir müssen uns Zeit für die Menschen nehmen“, fasste Martin Hohenberger am Ende zusammen, „sie dürfen sich nicht dauerhaft allein gelassen fühlen.“ Daher seien Begegnungen wie etwa bei den Veranstaltungen während der „Wochen der Begegnung“ wichtig. Das haben auch die Teilnehmerzahlen bei den Veranstaltungen gezeigt. Die Menschen hätten ein Bedürfnis danach, teilzunehmen und in Dialog zu treten.

Ursula Keßler von der Externen Koordinierungs- und Fachstelle von „Demokratie leben!“ in Deggendorf gab einen Überblick über die Veranstaltungen, die in den letzten Monaten und im Rahmen der „Wochen der Begegnung“ in Deggendorf bereits stattgefunden hatten. Sie wies außerdem darauf hin, dass bereits jetzt Anträge auf Förderungen von Projekten für das Jahr 2021 gestellt werden können. Wer in diesem Jahr noch einen Antrag stellen möchte, kann diesen bis zum 03.11.2020 unter demokratie.leben@kjr-deggendorf.de bei der Koordinierungs- und Fachstelle einreichen.

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