Selbsthilfegruppe „Geschwister von Behinderten“

Berührungsängste überwinden
Gruppenfoto Selbsthilfegruppe-Leitung "Geschwister mit Behinderungen"
Rebecca Zilk (M.) wird bei ihrer Gründung einer Selbsthilfegruppe für Geschwister von Behinderten von den Sekon-Mitarbeiterinnen Sonja Ebner, Ulrike Pleintinger, Angela Straßer und Heidi Hassan (v. l.) unterstützt. Foto: Stieler, Deggendorfer Zeitung

Aus dem Artikel der Deggendorfer Zeitung

Deggendorf. (se) Rund 500 Selbsthilfegruppen gibt es in Niederbayern. Bald soll eine Neue hinzukommen: speziell für Geschwister von Behinderten.

Die Selbsthilfegruppen werden alle betreut und koordiniert von der Selbsthilfekontaktstelle „Sekon„, die ihren Sitz im Palais im Stadtpark hat. Die Palette der Gruppenangebote ist reich und vielfältig wie das Leben selbst: Menschen, die an besonderen Krankheiten leiden, treffen sich unter der fachkundigen Betreuung der vier Sekon-Beraterinnen Sonja Ebner, Heidi Hassan, Ulrike Pleintinger und Angela Straßer ebenso regelmäßig zum Erfahrungsaustausch wie etwa auch Alleinerziehende, Suchtkranke, Stotternde, Homosexuelle, Stillende und viele andere mehr. ,,Das, was sich Menschen, die eine Selbsthilfegruppe aufsuchen, wünschen, ist der Austausch und das Gespräch mit anderen, die mit derselben Problematik oder Lebenssituation beschäftigt sind“, erklärt Sonja Ebner von Sekon. Und Heidi Hassan fügt hinzu: ,,Unser Ziel ist es, dafür zu sorgen, dass es für die verschiedensten Themen, die Menschen bewegen, eine Gruppe gibt.“ Diesem Ziel kommen die Sozialpädagoginnen mit der Kontaktaufnahme, die Rebecca Zilk vor kurzem gemacht hat, wieder ein Stück näher: Ab Juni möchte die 29-Jährige eine Selbsthilfegruppe für Geschwister von Behinderten gründen. Die Motivation dafür ist – wie bei allen Selbsthilfegruppen – eine sehr persönliche. „Ich habe einen um eineinhalb Jahre jüngeren Bruder, der nach einem Sturz schwere geistige und körperliche Behinderungen erlitten hat, erzählt Zille Der Bruder war gerade einmal ein Jahr alt, als die Familie mit dem Schicksal konfrontiert wurde. „Ich wollte das Thema aufgreifen und suche den Austausch mit Gleichgesinnten„, erklärt die junge Frau ihr en Anstoß dafür, eine Selbsthilfegruppe zu gründen.

Das Problem für die Geschwister von Behinderten sei, dass der Geschwisterteil, je nach Grad der Behinderung, ein hohes Maß an Pflege und Aufmerksamkeit braucht. „Ein behinderter Mensch nimmt einen großen Platz in der Familie ein, und die anderen Geschwister stehen dadurch einfach im Schatten“, formuliert die GruppenInitiatorin das Problem. Sie erinnert sich, wie für sie speziell durch diese Familiengeschichte wenig Zeit für Aufmerksamkeit übrig geblieben ist und wie sie sich in einer Rolle einrichten musste, die darauf hinauslief, „gut zu funktionieren“.

Wenn alte Freunde die "Reißleine" ziehen

Im Erwachsenenalter sei es dann sehr schwer, sich von den erlernten Rollenmustern zu sen. Hinzu kommen oft Berührungsängste , die Freunde oder auch Lebenspartner mit der Familie haben. „Ich habe miterlebt, wie sich damals schon Freunde meiner Eltern abgemeldet haben, einfach weil ihnen die Situation zu an strengend war“, erinnert sich Zilk. Sie vermutet, dass oft Überforderung oder Scham eine Rolle spielt, wenn sich Freunde zurückziehen oder ganz die „Reißleine ziehen“. Sie selbst musste verschmerzen , dass es auch innerhalb der Partnerschaft zu Zerreißproben kommen kann. „Mein letzter Freund war mit der Situation, dass ich einen so schwer behinderten Bruder habe und mich um ihn gemeinsam mit meinen Eltern kümmere, einfach überfordert„, erzählt sie ganz offen. Ihr jetziger Lebenspartner unterstützt sie sehr gut und steht zu ihr. Aktuell kümmern sich die Eltern und der Pflegedienst um den Bruder. „Aber ich bin auf Abruf bereit, immer“, sagt sie leise, und ihre besondere Lebenssituation tritt in diesem Moment deutlich ans Licht. Und da gibt es noch einen anderen Umstand, der ihr zu schaffen macht und den sie klar formuliert: Die Verlustangst, die Angst, den Bruder, mit dem sie so viel Zeit, so viele Höhen und Tiefen und so viel Zuneigung und Emotion erlebt hat, viel zu früh zu verlieren. „Dieser Gedanke ist eine große Belastung, der wie ein Schatten über einem schwebt“, sagt sie nachdenklich. Auch über solche Gedanken und Ängste möchte sie sich mit anderen Betroffenen, egal, welche Behinderung deren Geschwister haben, austauschen. Das erste Treffen soll am Dienstag, 18. Juni, von 19 bis 20.30 Uhr im Sekon-Gruppenraum, Am Stadtpark 22, im Palais am Stadtpark stattfinden. Weitere Informationen gibt es unter der Telefonnummer 0151/5 0407052.

INFO

Die Selbsthilfegruppe „Geschwister von Behindertentrifft sich künftig jeden dritten Dienstag im Monat im Sekon-Gruppenraum, Am Stadtplatz 22, im Palais im Stadtpark.

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