Mit einer „Testgrabung“ auf dem sogenannten Sesselsberger-Grundstück zwischen der Pfleg- und der Metzgergasse startete 1986 die Deggendorfer Stadtarchäologie. Mit den ersten Hinweisen auf eine Vorgängersiedlung und dem Münzschatz aus dem 30-jährigen Krieg war es ein furioser Start. Weitere Ausgrabungen im Stadtkern aber auch im weiteren Stadtumfeld folgten, die Stadtarchäologie wurde zur festen Institution. Die Erkenntnisse aus diesen Untersuchungen ließen für die Frühzeit Deggendorfs und für die frühe Stadtentwicklung ein gänzlich neues Bild entstehen, das durch jede weitere Ausgrabung konkretisiert, untermauert, manchmal auch wieder korrigiert wird. Doch auch für das Spätmittelalter und die Neuzeit bis hin zur Moderne vermochte die Stadtarchäologie Neues beizutragen, Vermutungen zu belegen und Bekanntes zu illustrieren. Es sind zunächst oft singuläre Erscheinungen, Mosaiksteinchen sozusagen, die sich erst mit der Zeit zu einem komplexen Bild zusammenfügen lassen.
Durch die methodische Ausgrabung in der Stadt wird zum einen die vertikale Abfolge der Kulturschichten und die Veränderung der darin befindlichen Sachgüter untersucht und damit ihre relative zeitlich Abfolge festgelegt. Diese kann aber nur dann in absoluten Zahlen ausgedrückt werden, wenn datierende Gegenstände wie Münzen oder dendrochronologisch datierbare Hölzer gefunden werden. Da aber absolut datierende Anhaltspunkte fast immer fehlen, ist der dauernde Vergleich von entsprechenden Kulturschichten mit dem darin vorhandenen Material, das sich wieder zum größten Teil auf Keramik beschränkt, innerhalb der Kleinregion, also innerhalb der Stadt, wie auch überregional nötig.
Die horizontale Verbreitung unterschiedlich datierter Sachgüter ermöglicht es, die räumliche Abfolge von Besiedlungsabläufen darzustellen. Befunde (Pfosten, Mauern, Pflaster, Brunnen usw.) und Funde (Gegenstände) liefern Hinweise zum Besiedlungsablauf, zur Bebauungsstruktur, zum Straßen- und Wegesystem, zur Wasserversorgung, zur Infrastruktur insgesamt zu. Darüber hinaus lassen sich am Fundmaterial in Einzelfällen Einblicke in Handwerk und Technik, Handel und Verkehr, Ernährung, Kleidung und Hausrat, ihre zeitliche und räumliche Verteilung und daraus wieder in wirtschaftliche Gegebenheiten aber auch in die Sozialstruktur gewinnen.
Grabungen in Kirchen und Kirchhöfen geben Aufschluss über die Baugeschichte von Kirchen aber auch über das Bestattungswesen in Mittelalter und Neuzeit. Gerade letzteres liefert eine ganze Anzahl von Informationen über Leben und Sterben in der Stadt. Beifunde informieren über Kleidung, Totengewand und Schmuck, manchmal auch über Handwerk und sozialen Status der Bestatteten. Münzen datieren die Gräber und können auch die grobe Herkunft ihrer Besitzer aufzeigen, Wallfahrtsmedaillen beweisen die Mobilität der frühneuzeitlichen Bevölkerung, andere Anhänger vermitteln Informationen von der Volksreligiosität bis hin zur Medizin. Im Vergleich mit anderen Bestattungsplätzen werden überregionale Gesetzmäßigkeiten ebenso deutlich wie regionale oder ortspezifische Erscheinungen.
Doch die Archäologie hat auch ihre Grenzen. Die Erhaltungsbedingungen im Boden bilden einen natürlichen Filter, durch den normalerweise alle organischen Reste ausscheiden. Was bleibt ist Keramik, Metall und Knochen. Und selbst hier bestimmt in den meisten Fällen der Mensch, was in den Boden gelangt. Beispiele aus den verschiedensten Bereichen werden dies belegen, denn auch dies ist ein Stück Kulturgeschichte. Deshalb soll auch aufgezeigt werden, dass es auch andere, bisher nicht ausgewertete schriftliche Quellen gibt, die für die Alltagsgeschichte der Neuzeit und rückblickend auch für das Mittelalter wesentliche Aussagekraft besitzen und die in den kommenden Jahren verstärkt in die Forschung über Deggendorf miteinbezogen werden sollen. Ein weiterer Schwachpunkt ist nach wie vor die Feindatierung von Schichten und Befunden. Sie beruht weitestgehend auf den Keramikfunden, ein oft waghalsiges Unternehmen, muss doch auch diese erst datiert werden. Die Fülle an Literatur über mittelalterliche Keramik mit ihren oft abenteuerlichen, vor allem subjektiven und nicht nachvollziehbaren Methoden zeigt alleine schon die Unsicherheit auf. Die Orientierung erfolgt deshalb an der „älteren“ Literatur (H. Dannheimer) und an eigenen Beobachtungen.